Warum
Barrierefreiheit?
Das barrierefreie Bauen verzeichnete in den
letzten Jahren einen wachsenden Aufmerksamkeits- und
Bedeutungsgewinn. Das war nicht immer so.
Hervorgegangen ist dieser Wandel aus dem zunehmenden
Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum, d.h.
insbesondere in Gebäuden der Verwaltung und
sonstigen Einrichtungen. Die Grundlagen hierfür
finden sich im Grundgesetz (Artikel 3), im
Bundesgleichstellungsgesetz sowie in den
Bauordnungen. Die Teilhabe behinderter Menschen am
sozialen Leben soll dadurch selbstbestimmt und
möglichst selbständig möglich sein.
Betraf dieser
Aspekt zunächst nur eine relativ kleine
Bevölkerungsgruppe, so rückte im Zuge der Diskussion
um die demografische Entwicklung in Deutschland in
den letzten Jahren eine wachsende Gruppe der sog.
„Generation 50+“ oder „Best-Ager“ in den Blickpunkt.
Die Anzahl der Mitbürger, die sich dieser Gruppe
zuordnen lässt, wird in den kommenden Jahren sowohl
relativ, als auch absolut weiter steigen.
Die Menschen werden aufgrund einer gesünderen
Lebensführung und des medizinischen Fortschritts
auch immer älter. Sie wollen zudem im Alter so lange
wie möglich in der vertrauten Umgebung der eigenen
Wohnung ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben
führen und nicht in einem Altenheim wohnen.
Schätzungsweise über 90 % der über 65-jährigen leben
heute in einer „normalen“ Wohnung, die also nicht an
die speziellen Bedürfnisse der Bewohner angepasst
wurde.
Da die körperliche Leistungsfähigkeit, aber auch
die Leistungsfähigkeit der Sinne im Alter –
verursacht auch durch altersbedingte Krankheiten –
nachlässt, ist eine bauliche Anpassung der
Bestandsimmobilien in den allermeisten Fällen nötig.
Bei Mietwohnungen wird ein Vermieter künftig
gehalten sein, seine Wohnung so zu gestalten, dass
sie barrierefrei, bzw. komfortabel zu bewohnen ist.
Diese Investition sichert die Vermietbarkeit seiner
Wohnungen, da die künftigen Mieter zunehmend älter
sind.
Bei Eigentumswohnungen bzw. Einfamilienhäusern
kann durch eine derartige Wohnraumanpassung der Wert
der Immobilie gehalten, bzw. gesteigert werden. Der
Umzug in eine fremde Umgebung kann vermieden, bzw.
verzögert werden. Auf diese Weise kann der Wunsch
Älterer nach Vertrautheit und Kontinuität erfüllt
werden.
In den letzten Jahren hat sich daher der Bereich
des barrierefreien Bauens im Sinne von
behindertengerecht zum altengerechten oder
komfortablen Bauen und Wohnen entwickelt.
Was sollte das
regionale Handwerk leisten?
Bei derartigen Anpassungen von Bestandsimmobilien
sind individuelle und kreative Lösungen gefragt.
Hier hat das qualifizierte Handwerk beste
Voraussetzungen, um als Fachmann aus der Region mit
der Planung und Umsetzung der Umbaumaßnahmen betraut
zu werden. Grundsätzlich sind dabei alle am Bau
beteiligten Gewerke angesprochen (z.B. Maurer,
Fliesenleger, Zimmerer, Tischler, Metallbauer,
Sanitär- und Heizungstechniker sowie Elektriker).
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich der
Handwerksbetrieb speziell auf die ältere
Kundengruppe und deren besonderen Ansprüche und
Wünsche einstellen kann.
Ein Kundenwunsch ist sicherlich, für die gesamte
Umbaumaßnahme einen Ansprechpartner zu haben. Der
Kunde möchte sich nicht um die Koordinierung und die
Einholung von Angeboten mehrerer Gewerke kümmern, da
er mit dieser Aufgabe als Nicht-Fachmann oftmals
überfordert ist. Kann der Handwerker vor Ort diesen
Anspruch leisten, hat er gegenüber seiner Konkurrenz
einen entscheidenden Vorteil, der ihm den Zuschlag
auch bei einem höheren Preis bringen kann.
Neben der Funktion des Handwerkers, dem Kunden
als koordinierender Ansprechpartner zur Verfügung zu
stehen, ist auch die Fähigkeit erforderlich, sich im
Beratungsgespräch auf die Besonderheiten älterer
Kunden einzustellen. Oftmals gehört viel Geduld und
Psychologie dazu, ältere Menschen von der
Notwendigkeit einer Veränderung zu überzeugen.
Insbesondere wenn gewohnte Handlungsabläufe aufgrund
von abnehmender Leistungsfähigkeit verändert werden
müssen, besteht die Gefahr der Blockade bei älteren
Menschen. In zahlreichen Fällen gilt es auch, die
unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der
Familie – z.B. wenn die Kinder zum Gespräch
hinzugezogen werden – zu kanalisieren, insbesondere
wenn die Umbaumaßnahmen ein größeres Ausmaß
annehmen.
Der beratende Handwerker muss zudem
grundsätzliches Wissen über die Auswirkungen von im
Alter typischen körperlichen und geistigen
Beeinträchtigungen und Krankheitsverläufen haben, um
eine auf den Kunden individuell abgestimmte
Umbaumaßnahme planen zu können. Zwar gibt es als
Grundlagen der Planung die DIN-Normen, jedoch sollte
in aller erster Linie der Mensch mit seinen
individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt der Lösung
stehen.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, auch mit
kleineren Umbauten „Stolperfallen“ und „Hürden“
abzubauen und den Wohnkomfort für ältere Menschen
deutlich zu steigern. Aber auch unter dem Aspekt der
Wertsteigerung sind diese Investitionen in den
Komfort eines Gebäudes sinnvoll.
Ein hoher Prozentsatz der Bestandsimmobilien ist
in den letzten 20-25 Jahren nicht grundlegend
modernisiert worden, so dass sich ein gewisser
Investitionsstau eingestellt hat. Werden diese
Gebäude nun für den Lebensabend ihrer Bewohner fit
gemacht, so sollten diese Maßnahmen vorausschauend
und barrierefrei geplant werden, damit weitere
Umbaumaßnahmen vermieden werden.
Beispiele für
mögliche Anpassungen des Wohnraums
Die Modernisierungsmaßnahmen sind sehr stark von
den Gegebenheiten vor Ort abhängig – von der Lage
des Gebäudes, vom Zuschnitt und Anordnung der Räume,
aber auch von der individuellen Leistungsfähigkeit
der Bewohner. Daher können hier nur Beispiele für
barrierefreies Bauen genannt werden:
Zugang zum Haus
In vielen älteren Häusern ist ein treppenloser
Zugang zur Eingangstür nicht vorhanden. Oftmals sind
vor der Haustür zumindest 2-3 Stufen zu überwinden.
Für ältere Menschen können diese Stufen zum echten
Problem werden, insbesondere wenn sie auf eine
Gehhilfe oder sogar einen Rollstuhl angewiesen sind.
Auf jeden Fall sollten die Stufen mit einem
beidseitigen Geländer mit Handlauf ausgerüstet
werden, um dadurch die Gefahr eines Sturzes zu
verringern.
Reicht das Geländer nicht aus, so kann die erste
Hürde zum Haus auch durch das Anlegen einer Rampe
überwunden werden, die allerdings eine maximale
Steigung von 6 Prozent nicht überschreiten sollte.
Weiterhin sollten Rampen mindestens 120 cm breit
und auf beiden Seiten mit Radabweisern ausgestattet
sein. In Verbindung mit festen und griffsicheren
Handläufen auf beiden Seiten ist das sichere
Betreten und Verlassen des Hauses ohne Sturzgefahr
möglich.
Lassen die Platzverhältnisse die Anlage einer
Rampe nicht zu, so könnte auch ein kleiner
Außenfahrstuhl, ein sog. Hublift, zur Überwindung
der Stufen eingebaut werden.
Eine andere Möglichkeit stellt das Verlegen des
Eingangs auf eine andere Hausseite dar, um dadurch
Platz für das Anlegen einer Rampe oder eines Weges
zu erhalten. Dies kann in Häusern mit einem Eingang
im Souterrain sinnvoll sein, um somit gleichzeitig
den Treppenaufgang zur eigentlichen Wohnung zu
umgehen.
Eingangsbereich
Zum Öffnen der meisten Haustüren benötigt man
zwei Hände – die eine zieht am Türgriff, die andere
dreht den Schlüssel. Hier bietet sich der Einbau
elektronischer Schließsysteme und Türöffner an, bei
denen z.B. Transponder das elektronische Schloss der
Eingangstür berührungslos öffnen und wieder
schließen. Warum soll das, was beim Auto heute
selbstverständlich und als Komfortsteigerung
wahrgenommen wird (Zentralverriegelung über Funk und
Starten des Autos ohne Schlüssel), nicht auch
selbstverständlich sein, wenn es um das automatische
Öffnen der Haustür geht? Weiterhin sollte die
Eingangstür mindestens 90 cm breit und der
Eingangsbereich über Bewegungssensoren gesteuert
ausreichend beleuchtet sein. Fußmatten stellen
potenzielle Stolperfallen dar und sollten im Boden
versenkt und befestigt sein. Auch der beliebte
Läufer im Eingangsflur sollte einem rutschfesten
Bodenbelag weichen.
Treppen im Haus
Ist ebenerdiges Bauen nicht möglich, bietet sich
ggf. der Einbau eines Treppenlifts am, um die
Mobilität zwischen den Stockwerken zu gewährleisten.
In Treppenhäusern von Mehrfamilienhäusern muss zudem
für den Brandfall eine Restlaufbreite von einem
Meter eingehalten werden, um die Begehbarkeit der
Treppe neben dem Treppenlift zu gewährleisten.
Insbesondere bei gewendelten Treppen ist für die
Installation eines Treppenlifts die schmalere
Innenseite der Treppe vorzusehen, damit die Treppe
auf der breiteren Aussenseite noch normal zu nutzen
ist.
Häufig sind die Treppenaufgänge allerdings sehr
schmal, so dass der Einbau eines Treppenlifts nicht
möglich ist.
Eine Alternative zum Treppenlift stellt ein
Aufzug dar, der ggf. als Außenlift die einzelnen
Stockwerke des Gebäudes stufenlos miteinander
verbindet. Allerdings ist diese Lösung mit
erheblichen Kosten verbunden.
Ist ein Treppenlift nicht nötig, so können
Handläufe auf beiden Seiten der Treppe eine große
Hilfe sein, damit sowohl beim Hinauf-, als auch beim
Hinuntergehen immer die „stärkere“ Hand greifen
kann. Wichtig ist dabei, dass die Handläufe bereits
30 cm vor der ersten Stufe beginnen und auch bis
über die letzte Stufe hinausführen. Besteht eine
Sehschwäche, so sollten zur besseren Orientierung
taktile Hilfen am Ende und Anfang der Handläufe
angebracht sein. Bei mehreren Geschossen sollte der
innere Handlauf zudem durchgehend sein. Die
Treppenstufen sollten möglichst Kontraste und keine
Stufenüberschneidungen aufweisen.
Je nach Platzangebot im Haus kann auch der Umzug
der wichtigsten Räume von den oberen in das unterste
Stockwerk sinnvoll sein.
Küche
Die Küche stellt einen wichtigen Raum des
täglichen Lebens dar. Ideal wäre die Kombination von
Küche und Esszimmer, bzw. einem Tisch in der Küche,
an dem im Sitzen die Speisen mit vorbereitet und
anschließend gegessen werden können. Dies reduziert
die Wege innerhalb des Hauses.
Die Anordnung der Küchenelemente sollte sich an
den Abläufen orientieren. So bietet es sich zum
Beispiel an, den Koch- und den Spülbereich
nebeneinander vorzusehen, um das Tragen schwerer
Töpfe zu vermeiden.
Die Bewegungsfläche zwischen den Küchenzeilen
sollte 1,20 Meter nicht unterschreiten.
Bedienelemente wie Steckdosen und Schalter
sollten in einer Höhe von 85 cm angebracht sein.
Der Stauraum in den Schränken unter der
Arbeitsplatte wird durch Vollauszüge leichter
nutzbar.
Die erhöhte Anordnung des Backofens, des
Kühlschrankes und der Spülmaschine erleichtert das
Be- und Entladen.
Verfahrbare Arbeitsplatten helfen, um bestimmte
Arbeiten auch im Sitzen oder mit einer Stehhilfe
verrichten zu können. Dabei ist darauf zu achten,
dass Herd und Spüle unterfahrbar sind.
Absenkbare Hängeschränke sind dann sinnvoll, wenn
die Flächen darunter stets frei sind und ansonsten
nur wenig Stauraum zur Verfügung steht. Auf jeden
Fall sollten sie mit einem Auffahrschutz und einer
Sicherheitsabschaltung versehen sein.
Gute Lichtverhältnisse sorgen für sicheres
Arbeiten.
Wohnzimmer
Lose Teppiche als Stolperfallen sollten entfernt
werden, auch wenn sie einem noch so ans Herz
gewachsen sind.
Zur Behaglichkeit gehört ein gesundes Raumklima.
Häufig wird zu wenig gelüftet, wodurch die Gefahr
von Schimmelpilzbildung steigt. Hier bietet sich der
Einbau einer technischen Be- und Entlüftungsanlage
oder von intelligenten Fenstern an, die sich je nach
Temperatur und Luftfeuchte im Raum öffnen und
schließen.
Das Sofa sollte eine erhöhte Sitzfläche haben, so
dass man ohne größere Kraftanstrengung wieder
aufstehen kann.
Bei bestehender Gangunsicherheit kann ein
Zimmerrollstuhl (Trippelstuhl) die Bewegung im Haus
erleichtern. Eine entsprechende Bremse kann auch den
Halt beim Hinsetzen und Aufstehen unterstützen.
Balkon/ Terrasse/ Garten
Der Aufenthalt auf der Terrasse oder dem Balkon
ist für viele ältere Menschen oftmals die einzige
Möglichkeit, sich ohne allzu große Umstände an die
frische Luft zu begeben. Leider ist zuvor eine Hürde
zu überwinden – die Türschwelle. Diese Schwelle muss
bei Balkonen und Dachterrassen 15 cm über der
wasserabführenden Schicht im Außenbereich liegen, um
einen möglichen Wassereintritt in die Wohnung zu
verhindern. Zu beheben wäre diese Hürde entweder
durch das Anbringen einer Schwellenüberfahrbrücke
auf beiden Seiten der Schwelle, durch die bauliche
Veränderung der wasserabführenden Schicht oder
andere bauliche Maßnahmen, wie z.B. Vordächer, so
dass die Schwelle abgesenkt werden kann.
Um den Aufenthalt im Freien entsprechend angenehm
zu machen, sollte die Beschattung durch
Fernbedienung möglich sein.
Brüstungen sollen ab einer Höhe von 60 cm
durchsichtig sein, um dem Bewohner den Sichtkontakt
mit der Umgebung auch im Sitzen zu ermöglichen.
Die Pflasterung auf der Terrasse oder auf
Gartenwegen sollte möglichst großflächig und eben,
die Fugen geschlossen sein. Gartenwege sollten eine
Steigung von 3 Prozent und eine Seitenneigung von 2
Prozent nicht überschreiten.
Bei den Möbeln im Außenbereich ist ebenfalls
darauf zu achten, dass das Aufstehen leicht möglich
ist.
Bad
Das Bad ist in vielen Fällen der Raum, über den
zuerst in puncto Barrierefreiheit nachgedacht wird,
da das Bad für eine selbständige Lebensführung von
zentraler Bedeutung ist.
Bei der Badplanung sollte auf ausreichend große
Bewegungsflächen (1,20 m x 1,20 m) vor Waschbecken
und ggf. neben dem WC geachtet werden.
Die Badezimmertür sollte nach Außen aufschlagen
und mindestens 80 cm lichtes Durchgangsmaß
aufweisen. Bei Platzproblemen kann der Einbau einer
Schiebetür sinnvoll sein.
Empfehlenswert ist der Einbau einer stufenlos
begehbaren Dusche, deren Fläche auch als
Bewegungsfläche genutzt werden kann.
Insbesondere im Bereich der Dusche ist auf einen
rutschfesten Bodenbelag zu achten.
Soll die Badewanne weiter benutzt werden, so ist
über das Anbringen von Haltegriffen und
Einstiegshilfen nachzudenken. In der Luxusvariante
gibt es mittlerweile Badewannen mit einer Tür.
Das WC sollte erhöht angebracht werden, um das
Aufstehen zu erleichtern. Zusätzliche Haltegriffe
stellen eine weitere Unterstützung dar.
In vielen Badezimmern liegt das Fenster hinter
der Badewanne, was das Lüften erschwert. Hier bietet
sich der Einbau elektrischer Fensteröffner an.
Schlafzimmer
Auch im Schlafzimmer haben Bettvorleger als
Stolperfalle nichts zu suchen. Ein rutschfester
Belag sollte hier Einzug halten. Eine
Bewegungsfläche von 1,20 Meter neben dem Bett sollte
eingehalten werden.
Zu achten ist weiterhin auf ein bequemes Bett,
aus dem man leicht aufstehen kann. D.h. die Höhe des
Bettes sollte nicht zu niedrig gewählt werden.
Weiterhin wäre eine elektrische Verstelltbarkeit der
Liegefläche vorteilhaft. Eine Aufrichthilfe und ein
Betttisch könnten ebenfalls sinnvoll sein.
Die Bedienbarkeit des Lichts sollte vom Bett aus
möglich sein, damit ein evtl. nötiger nächtlicher
Gang auf das WC nicht zum Stolperabenteuer wird.
Die oberen Fächer der Kleiderschränke sind ohne
gefährliche Leitern oder sonstige Hilfen oftmals
nicht erreichbar. Hier könnte sich der Einbau einer
absenkbaren Kleiderstange anbieten, um den Platz in
der Höhe trotzdem nutzen zu können.
Auch die Installation eines Telefons, bzw.
Notrufsenders könnte im Schlafzimmer sinnvoll sein.
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